Der Rebstockhof, der zur Zeit seiner Gründung noch eine gute Wegstunde von der Frankfurter Stadtgrenze entfernt war, blickt auf eine lange und bewegte Geschichte zurück. Er wurde um 1300 erstmals urkundlich erwähnt und verdankt seinen Namen der angesehenen Frankfurter Patrizierfamilie Rebstock, welche auch dem gleichnamigen Haus in der Altstadt ihren Namen gab. Später gelangte das Hofgut in den Besitz des wohlhabenden Mainzer Geistlichen Wicker Frosch, der mit der Familie Rebstock verschwägert war. Wicker Frosch, der Stifter der Vorgängerkirche der heutigen Katharinenkirche, übergab den Rebstockhof 1353 dem Frankfurter Katharinen- und Weißfrauenstift, in dessen Besitz das reich ausgestattete Hofgut für viele Jahrhunderte verblieb.
Der Rebstockhof wurde von ehrenamtlichen Pflegern verwaltet, die vom Rat der Stadt eingesetzt wurden und dem Patriziat angehörten. Diese hatten einen herausfordernden Job, und zwar "[d]er lieben Nachbarn wegen", wie Hans Pehl in seinem Werk "Als sie einst die Stadt schützten. Frankfurts befestigte Gutshöfe" (1978) beschreibt: "Sehr viel zu schaffen machte ihnen der streitbare Herr von Hanau, dessen Territorium unmittelbar an den Hof grenzte. Auch üble Raubritter blieben nicht untätig" - wie etwa Jakob von Cronberg. Dies bildet den Hintergrund für den nachfolgenden Bericht über das Scharmützel, in dem sowohl Ulrich von Hanau als auch Angehörige der Kronberger Adelsfamilie eine Rolle spielen.
Seit 1396 nämlich war Ulrich V., Regent von Hanau, in zunehmende finanzielle Schwierigkeiten geraten, trotz der hohen Entschädigungszahlungen, die Frankfurt nach dem Städtekrieg und der Schlacht bei Eschborn geleistet hatte.* Im Sommer 1397 fasste er den kühnen Entschluss, das wohlhabende Hofgut Rebstock, das, wie oben erwähnt, außerhalb der Frankfurter Landwehr lag, zu überfallen, um seine Kasse aufzubessern. Zu diesem Zweck holte er sich nicht nur Verstärkung von seinen Verbündeten aus dem nahen Kronberg, sondern führte auch zwei Geschütze – eine mächtige Bombarde und eine kleinere Kanone – mit.
* Der historische Kontext bis hierhin ist korrekt, ab jetzt wird's fiktional


Was dann folgte, trugen Zigor und Jensinion am 07.12.2024 auf der Weihnachtsfeier des Tabletop Club Rhein-Main aus. Es war zugleich der erste Einsatz meines frisch bemalten, modularen Wehrhofs.
Die Frankfurter, unter dem Kommando von Jensinion, hatten bereits eine respektable Infanterietruppe innerhalb der schützenden Mauern des Hofguts postiert, als die Hanauer in Sicht kamen. Die Verteidiger bestanden aus einem Trupp der Fleischerzunft (1) und einem der Schusterzunft (2) (beides Heavy Infantry) sowie zwei Trupps Armbrustschützen (3 und 4) (beides Crossbowmen), die, direkt an der Mauer stehend, schussbereit auf ein Ziel warteten. Zudem versteckte sich außerhalb des Rebstockhofs eine kleine Plänklereinheit (5) (Skirmishers) in einem nahegelegenen Wäldchen. Einige berittene Einheiten waren als Verstärkung aus Frankfurt unterwegs, indes ungewiss, wann sie eintreffen würden.
Die Hanauer wurden von Zigor ins Feld geführt. Sie rückten von Nordwesten an, nachdem sie sich zuvor beim Dorf Hausen mit ihren Kronberger Verbündeten vereint hatten. Die Truppe, die den Überfall im Schilde führte, war an Stärke nicht zu verachten: An Reisigen traten zwei Einheiten aus Hanau (6 und 7) sowie eine Einheit aus Kronberg (8) an (alles Heavy Cavalry). Die Fußtruppen bestanden aus Hanauer Spießbürgern (9) (Heavy Infantry) und Hanauer Rittern zu Fuß (10) (Elite Infantry). Die wirksam positionierten Geschütze (11) wurden flankiert von Hanauer Armbrustschützen (12 und 13) (Crossbowmen). Bemerkenswert war, dass Ulrich V. von Hanau (*) persönlich anwesend war, um seine Truppen zu befehligen – ein Zeichen für die Bedeutung dieser Mission in seinen Augen.
Ein kurzer Einschub zu den Szenarioregeln, bevor das Scharmützel beginnt: Während das Missionsziel für die Hanauer darin bestand, mit den Geschützen die Mauern des Rebstockhofs zu zerstören und den Hof mit Truppen einzunehmen, mussten die Frankfurter eben diese Geschütze unschädlich machen. Die Geschütze selbst hatten bezüglich Angriff, Verteidigung etc. denselben Status wie Crossbowmen (sie waren aber immobil), die Mauern des Hofs hatten den Verteidigungswert von Elite Infantry.
Zum Auftakt war das Glück den Frankfurtern hold, als die Entsatztruppen pünktlich aus der östlich gelegenen Stadt heranritten. Diese griffen sofort an, voran die erste Einheit Patrizier zu Pferde (14), dicht gefolgt von einer zweiten Einheit (15) (beide Heavy Cavalry). Ihr Ziel waren die beiden Einheiten Hanauer Reisige (16), von denen eine kurz zuvor bereits aufgrund eines mehr als glücklichen Treffers der Frankfurter Plänkler (17), die aus dem Wald heraus schossen, schwer mitgenommen wurde. Ulrich V. selbst eilte mit seinen Rittern (18), so schnell die Füße trugen, an den Kampfort, um sich der übermütigen Frankfurter Kavallerie entgegenzustellen. Währenddessen rückten die Hanauer Spießbürger und die Kronberger Reisigen (19) ebenfalls in Richtung des Rebstockhofs vor. Aus südlicher Richtung traf unterdessen ein dritter Entsatztrupp der Frankfurter ein, bestehend aus wohlhabenden, leicht bewaffneten, aber fernkampffähigen Bürgern zu Pferde (20) (Light Cavalry), die eigentlich gerade als Boten auf dem Weg ins mainnahe Dorf Griesheim waren, als sie den Kanonendonner vernahmen. Denn während all dieser geschilderten Ereignisse standen die Mauern des Rebstockhofs unter permanentem Beschuss durch die Hanauer Bombarde. Im Hof selbst freilich herrschte zu dieser Zeit noch die Ruhe vor dem Sturm, lediglich ein Trupp Zunftbürger, konkret: Angehörige der Fleischerzunft, begab sich vorsorglich in Richtung des Tors für einen Ausfall (21) - bereit, die früher als erwartet eingetroffenen Entsatztruppen zu unterstützen, um die Hanauer gar nicht erst in die Nähe des Hofguts zu lassen.
Kurze Zeit später schon befanden sich jene Frankfurter Zunftbürger außerhalb der schützenden Mauern (22), das Tor hinter ihnen wieder verschlossen, doch voll des Muts. Mut - oder doch eher Übermut? - befiel auch die beiden berittenen Frankfurter Patriziereinheiten (23), die immer weiter in Richtung der Hanauer vordrangen. Es gelang ihnen, ihre Kontrahenten, die Hanauer Reisige, bis auf je ein Ross und Reiter zu zerstreuen, doch bekamen sie es jetzt nicht nur mit den kampfstarken und ordentlich gerüsteten Hanauer Rittern zu Fuß (24) zu tun, sondern sie gerieten auch ins Schussfeld der für solch große Ziele vielleicht noch gefährlicheren Hanauer Armbrustschützen (25). Deren Bolzenhagel könnte verheerend wirken... Die Kronberger Reisigen (26) wählten hingegen den sicheren, wenn auch beschwerlichen Weg durch den von Bäumen gesäumten Acker, um den Frankfurtern nicht ins Visier zu geraten.
Während die Mauern des Rebstockhofs andauernd beschossen wurden, setzte sich das Scharmützel außerhalb der Mauern insbesondere im unteren Teil des Schauplatzes blutig fort: Die Frankfurter Patrizier, einst mit stolzen zwei Einheiten in den Kampf geritten, waren bis auf ein Mitglied dezimiert, das sich weit zurückziehen musste (27). Die starken Hanauer Ritter zu Fuß (28), unter denen auch Ulrich V. war, konnten erwartungsgemäß alle Angriffe abwehren, aber nicht ohne eigene Verluste. Unterdessen hat die obere Einheit Hanauer Armbrustschützen (29) ihre Position verlassen, um näher an den Rebstockhof vorzudringen, da sich ihnen woanders keine Ziele boten. Und auch die Hanauer Spießbürger rückten rasch weiter vor (30). Angesichts der Bedrohung formierten sich die Frankfurter Zunftangehörigen defensiv (31) (Wall of Spears). Die Kronberger Reisigen (32) bahnten sich weiter ihren Weg durch den Acker, langsam zwar, dennoch zogen sich die Frankfurter leichten Reiter vorsorglich vor ihnen zurück (33), sobald sie der Kronberger Gewahr wurden. Sie wollten sich keinesfalls einer Attacke seitens der überlegenen Gegner aussetzen.
Und dann war es geschehen: Ein Teil der Mauer des Rebstockhofs zerbarst unter dem heftigen, fortgesetzten Beschuss der Hanauer (34). Damit hatten diese den ersten Schritt auf dem Weg zu ihrem Missionsziel erfüllt. Waren die im Rebstockhof gehorteten Schätze nun greifbar nahe für Ulrich? Nun, dafür waren noch einige Truppen der Frankfurter zu überwinden. Deren Armbrustschützen (35) machten sich die entstandene Lücke zu Nutzen und positionierten sich außerhalb des Hofguts, um die heranrückenden Kontrahenten ins Visier nehmen zu können. Jene warfen nun alle Truppen, die sie hatten, nach vorne: Angefangen von einem der beiden letzten überlebenden Hanauer Reisigen (36) über die bisher noch stationär gebliebenen Armbrustschützen (37) bis hin zu der anderen Einheit Armbrustschützen und den Spießbürger (38). Den Kronberger Reisigen (39), die aus dem Acker hervorbrachen, bekam ihr Vorrücken hingegen überhaupt nicht gut, gelangten sie doch unter heftigem Beschuss der Frankfurter Armbrustschützen (40), die hinter der Mauer lange auf eine solche Gelegenheit gewartet hatten.
Von einem spektakulären - wenngleich im Gesamtkontext folgenlosen - Kampf ist in dieser Phase des Scharmützels zu berichten: Die beiden überlebenden Reiter des unteren Schauplatzes (der Frankfurter Patrizier und der Hanauer Reisige) lieferten sich einen wahrlich heroischen Zweikampf, nachdem der Hanauer zuvor so nahe herangeritten war, dass er den Frankfurter zu einer Attacke provozierte (41). Die Fahnen wehten, das Blut floss, und am Ende erlagen beide zugleich ihren Verletzungen! Dies fochte indes ihre Kameraden beider Seiten nicht an, die auf andere Ziele fokussiert waren: So nahmen die Frankfurter Armbrustschützen (42) mit den Hanauer Rittern zu Fuß (43) ein sehr lohnendes und exklusives Ziel ins Visier. Immerhin ein Ritter musste dran glauben, wenngleich Ulrich V. selbst unversehrt blieb. Die Hanauer Armbrustschützen (44) vis-à-vis schossen auch, blieben aber, ebenso wie ihre Kameraden nebenan (45), recht glücklos. Die Hanauer Spießbürger (46) schreckten vor einem Angriff auf die vor ihnen positionierten defensiv formierten Frankfurter Zunftangehörigen zurück und fassten stattdessen den Entschluss, die leichtbewaffnete Reiterei der Frankfurter (47) zu attackieren.
Dies erwies sich als fatal: Nicht nur, dass die leichte Reiterei der Frankfurter schießend zurückwich, die Frankfurter Zunftmitglieder entschlossen sich überraschend, ihre Defensivstellung zu verlassen und zum Angriff überzugehen (48). Und das mit Erfolg - entgegen allen Chancen wurden die Hanauer Spießbürger vollständig in die Flucht geschlagen! Den Frankfurter Truppen innerhalb des Rebstockhofs verblieb nun keine sinnvolle Aufgabe mehr an Ort und Stelle, und so machten sie sich durch die Mauerlücke hindurch auf den Weg nach draußen - sowohl die Armbrustschützen (49) als auch die Angehörigen der Schusterzunft (50). Geeignete Ziele für diese Truppen waren jedoch in weiter Ferne. Anders als für die zweite Einheit Frankfurter Armbrustschützen (51), welche sich ihre Ziele unter den auf Distanz stehenden, nunmehr gleichsam pulkartig versammelten Hanauer Truppen (52) suchte, wenngleich mit recht geringem Erfolg. Zugleich machten sich die lange Zeit untätig verweilenden Frankfurter Plänkler (53) auf den Weg aus dem Wäldchen heraus in Richtung der Hanauer Geschützstellung, welche nun schon seit geraumer Zeit schutzlos im rückwärtigen Hanauer Raum dalag.
Ein vergeblicher Versuch, da Ulrich V. von Hanau just zu diesem Zeitpunkt den Überfall für gescheitert erklärte und zum allgemeinen, geordneten Rückzug blies. Die Frankfurter setzten ihm nicht nach, da auch sie erleichtert waren, mit einem "blauen Auge" davongekommen zu sein. Beide Seiten konnten ihr Missionsziel nicht erreichen. Den Frankfurtern schmerzte die Zerstörung der Mauer des Rebstockhofs sehr, die empfindlich am Nimbus der Uneinnehmbarkeit des Hofguts kratzte und für zukünftige Ambitionen kriegerisch gesonnener Nachbarn nichts Gutes verhieß. Mehr aber noch war der Verlust zweier Reitertrupps von Patriziern zu betrauern. Den Hanauern und ihren Verbündeten indes erging es noch kläglicher, sie verloren über die Hälfte ihrer Truppen und erreichten somit, gemessen an der Absicht Ulrichs, mit ihrem Überfall rein gar nichts. Letzterer aber kam immerhin, obwohl er wiederholt Ziel schwerer Attacken war, mit dem Leben davon und steht bereit für neue Âventiuren, wie es seinem ruhelosen Charakter geziemt...
Es war – wie immer mit Zigor – ein spannendes, aber entspanntes Spiel, genau der richtige Spaß für eine Weihnachtsfeier
