Re: DBMM Demo auf dem Rhein Main Multiversum 2020
Verfasst: Sa 16. Mai 2020, 16:12
Ich glaube, da liegt ein Missverständnis vor. Es waren doch nicht die ganzen gotischen Flüchtlinge, die 376 die Donau überquert hatten, vor Ort in Adrianopel (das könnten schätzungsweise bis zu 150.000 Leute gewesen sein). Die Lage war mittlerweile (376/377) so chaotisch und unübersichtlich, dass es viele Akteure und Schauplätze gab. Man wird sich das nicht so vorstellen dürfen, denke ich, dass ein gigantischer kompakter Flüchtlingstreck unterwegs war. Bei Adrianopel handelte es sich nur um das gotische Heer, da waren keine Zivilisten vor Ort. Die Wagenburg war eine rein militärische Defensivstellung. (Könnte mir vorstellen, dass die auf den Wagen nicht zuletzt Beutegut transportierten.) Es war auch schon lange keine rein gotische Angelegenheit mehr. Es waren Goten, entlaufene Sklaven, geflohene Kriegsgefangene, Unzufriedene aller Art, die sich dazu gesellten und plündernd und marodierend durchs Land zogen. "Normale" Zivilisten eher nicht (es waren zwar "Barbaren", aber so weit werden sie dann doch nicht gegangen sein, ihre Zivilisten mit aufs Schlachtfeld zu führen ). Wie gesagt, die Gemengelage war wirklich sehr komplex zwischen Kämpfen, Plündern, Friedensgesprächen, Ansiedlungsversuchen, Diplomatie, Willkommenheißen und Ablehnen. Es gab viele Gruppen, und wir reden im Falle Adrianopels tatsächlich nur von einem Teil des gotischen Heeres.
Ich gebe aber gerne zu, dass ich zu diesem Zeitpunkt auch kein Experte für die Völkerwanderungszeit bin, hab mich eigentlich nie damit beschäftigt und beginne mich erst dafür zu interessieren, seit ich die spätrömische Armee bei Ebay gekauft habe (was wäre wohl dabei rausgekommen, wenn ich eine andere gekauft hätte... ) Ich bin aber gerade dabei, mich in die Thematik einzuarbeiten (gerade nen Haufen Literatur in der Unibibliothek bestellt ), denn anders, fürchte ich, kommen wir in dieser Sache nicht mehr weiter. Ich werde auch mal in Mailkontakt mit einschlägigen Historikern für diese Zeit zu treten versuchen, mal gucken, vielleicht antwortet sogar einer
Hier noch ein paar Anmerkungen:
1. Das Prinzip von Wagenburgen ist eine Defensivstellung in (mehr oder weniger) geschlossener Kreisform. Natürlich entsteht dann so etwas wie im Wilden Westen, wie bei den Russen gegen die Mongolen oder bei den Hussiten. Die natürliche defensive Organisationsform von aneinandergereihten Wagen ist ein Kreis.
2. Dass sich alle Truppen Fritigerns in einer einzigen Wagenburg versammeln, halte ich durchaus für denkbar. Soweit reichte die charismatische Kommandogewalt von Fritigern dann doch, würde ich schätzen - zumal wenn alle unter seinem (informellen) Kommando das gleiche Interesse hatten. (Wovon auszugehen ist, man war gemeinsam auf Raubzug und profitierte gemeinsam. Vereinzelte Gruppen und "Ausscherer" wären schlagbar gewesen.) Und es wäre ja niemandem gedient, wenn einzelne Gruppen ihre eigene kleine Wagenburg zu verteidigen hätten … hätten die Römer dann nicht leichteres Spiel gehabt?
3. Die Schlacht fand am 9.8. statt, die ersten Botschafter wurden von den Goten am 8.8. zu den Römern geschickt. D.h. die Goten hatten mindestens 24 Stunden Zeit, ihre Stellung zu beziehen, vielleicht sogar noch mehr. Jedenfalls ausreichend, um einen Wagenkreis zu bilden. Das bedeutet aber zugleich auch, dass die Goten die genaue Aufmarschrichtung und Aufmarschorganisation der Römer noch nicht kannten. Eine Wagenburg auf einem Hügel bietet in dieser Lage den besten Schutz nach allen Seiten.
4. Es hat im Jahr zuvor bereits eine Schlacht gegen die Goten gegeben, in der auch von einer großen Wagenburg die Rede ist. Es ist schwer zu glauben, dass es sich wieder um einen vermeintlichen Aufklärungsfehler der römischen Späher gehandelt hat. Und spätestens nach dieser Schlacht hätten sie aber wissen können, dass es sich bei den Goten in Wirklichkeit um andere Formen der Befestigungen handelte, und es wäre nicht erneut, im Falle Adrianopels, von einer einzigen Wagenburg die Rede. Und überhaupt: Eine Wagenburg auf einem Hügel sollte für eine der erfahrensten und besten Armeen ihrer Zeit identifizierbar sein, ohne Fehlinterpretationen. Mehrere Wagenburgen sind mehrere Wagenburgen, eine einzige Wagenburg ist eine einzige Wagenburg.
5. Die Römer hatten im Verlauf der Schlacht auf der linken Seite Kontakt zu der Wagenburg (zumindest gemäß Burns, Brodka und weiteren). Sie haben also spätestens jetzt erkennen können, ob es sich um eine Wagenburg oder eine abweichende Form der Befestigung handelte und die Späher-Meldung von der einen Wagenburg sich als falsch herausgestellt hatte. Es sind nicht alle in der Schlacht umgekommen, einige hätten berichten können.
Wie gesagt, ich bin natürlich auch kein Experte, aber ich hoffe, nach weiterer Recherche demnächst mit mehr Infos zum Thema Gotenkriege, Wagenburgen etc. dienen zu können.....
Mann, ich wollte eigentlich heute Figuren basieren, statt mich andauernd mit diesem Scheiß zu beschäftigen
Gruß Jens
Ich gebe aber gerne zu, dass ich zu diesem Zeitpunkt auch kein Experte für die Völkerwanderungszeit bin, hab mich eigentlich nie damit beschäftigt und beginne mich erst dafür zu interessieren, seit ich die spätrömische Armee bei Ebay gekauft habe (was wäre wohl dabei rausgekommen, wenn ich eine andere gekauft hätte... ) Ich bin aber gerade dabei, mich in die Thematik einzuarbeiten (gerade nen Haufen Literatur in der Unibibliothek bestellt ), denn anders, fürchte ich, kommen wir in dieser Sache nicht mehr weiter. Ich werde auch mal in Mailkontakt mit einschlägigen Historikern für diese Zeit zu treten versuchen, mal gucken, vielleicht antwortet sogar einer
Hier noch ein paar Anmerkungen:
1. Das Prinzip von Wagenburgen ist eine Defensivstellung in (mehr oder weniger) geschlossener Kreisform. Natürlich entsteht dann so etwas wie im Wilden Westen, wie bei den Russen gegen die Mongolen oder bei den Hussiten. Die natürliche defensive Organisationsform von aneinandergereihten Wagen ist ein Kreis.
2. Dass sich alle Truppen Fritigerns in einer einzigen Wagenburg versammeln, halte ich durchaus für denkbar. Soweit reichte die charismatische Kommandogewalt von Fritigern dann doch, würde ich schätzen - zumal wenn alle unter seinem (informellen) Kommando das gleiche Interesse hatten. (Wovon auszugehen ist, man war gemeinsam auf Raubzug und profitierte gemeinsam. Vereinzelte Gruppen und "Ausscherer" wären schlagbar gewesen.) Und es wäre ja niemandem gedient, wenn einzelne Gruppen ihre eigene kleine Wagenburg zu verteidigen hätten … hätten die Römer dann nicht leichteres Spiel gehabt?
3. Die Schlacht fand am 9.8. statt, die ersten Botschafter wurden von den Goten am 8.8. zu den Römern geschickt. D.h. die Goten hatten mindestens 24 Stunden Zeit, ihre Stellung zu beziehen, vielleicht sogar noch mehr. Jedenfalls ausreichend, um einen Wagenkreis zu bilden. Das bedeutet aber zugleich auch, dass die Goten die genaue Aufmarschrichtung und Aufmarschorganisation der Römer noch nicht kannten. Eine Wagenburg auf einem Hügel bietet in dieser Lage den besten Schutz nach allen Seiten.
4. Es hat im Jahr zuvor bereits eine Schlacht gegen die Goten gegeben, in der auch von einer großen Wagenburg die Rede ist. Es ist schwer zu glauben, dass es sich wieder um einen vermeintlichen Aufklärungsfehler der römischen Späher gehandelt hat. Und spätestens nach dieser Schlacht hätten sie aber wissen können, dass es sich bei den Goten in Wirklichkeit um andere Formen der Befestigungen handelte, und es wäre nicht erneut, im Falle Adrianopels, von einer einzigen Wagenburg die Rede. Und überhaupt: Eine Wagenburg auf einem Hügel sollte für eine der erfahrensten und besten Armeen ihrer Zeit identifizierbar sein, ohne Fehlinterpretationen. Mehrere Wagenburgen sind mehrere Wagenburgen, eine einzige Wagenburg ist eine einzige Wagenburg.
5. Die Römer hatten im Verlauf der Schlacht auf der linken Seite Kontakt zu der Wagenburg (zumindest gemäß Burns, Brodka und weiteren). Sie haben also spätestens jetzt erkennen können, ob es sich um eine Wagenburg oder eine abweichende Form der Befestigung handelte und die Späher-Meldung von der einen Wagenburg sich als falsch herausgestellt hatte. Es sind nicht alle in der Schlacht umgekommen, einige hätten berichten können.
Wie gesagt, ich bin natürlich auch kein Experte, aber ich hoffe, nach weiterer Recherche demnächst mit mehr Infos zum Thema Gotenkriege, Wagenburgen etc. dienen zu können.....
Mann, ich wollte eigentlich heute Figuren basieren, statt mich andauernd mit diesem Scheiß zu beschäftigen
Gruß Jens